(c) S. Sahmer: Blick von der Basilika auf dem Koekelberg Richtung Atomium
(c) S. Sahmer: auf dem Grand PlaceMit der Hauptstadt Belgiens verbindet jeder was anderes. Die einen denken sofort an das bekannteste Wahrzeichen, das Atomium, den nächsten fällt als erstes das Manneken Pis ein und anderen vielleicht noch spontan der Grand-Place – wie Brüssels "gute Stube", der von barocken und gotischen Prachtbauten eingerahmte Rathausplatz, heißt.
Viele denken bei Brüssel vermutlich mit dem Magen: Dann wird von kräftigem Bier gesprochen und knusprigen Fritten, von variantenreichen Waffeln und natürlich edlen Schokoladenkreationen. Und wenn’s ans Shoppen geht, dann erzählen die älteren Semester vermutlich von feinster Brüsseler Spitze (der man inzwischen leider erstaunlich selten begegnet), während die Youngsters glänzende Augen in Sachen Comics bekommen (omnipräsent).
Stimmt alles und wird der facettenreichen Metropole mit ihren 1,2 Millionen Einwohnern doch nicht wirklich gerecht. Oder zumindest nur annähernd. Denn Brüssel, das ist auch ganz viel Kunst & Kultur (nicht nur, aber allen voran der Maler mit dem Bowler-Hut, René Magritte, und der Chansonnier Jacques Brel, den viele irrtümlich gerne zum Franzosen machen) – und: Auffallende Architektur!
(c) S. Sahmer: Brüsseler Rathaus mit Belfried
(c) S. Sahmer: die mittlere Fotografie in der unteren Reihe zeigt den JustizpalstDas Atomium, ein 165-milliardenfach vergrößertes Abbild eines Eisenkristalls, ist da ganz sicher noch mal zu nennen. Oder der historische Rathausturm, denn der 96 Meter hohe sogenannte Belfried überragt die Innenstadt weithin sichtbar. [Tipp: Für Führungen durch den Profanbau sollte man früh dran sein, um sich in der Tourist-Info rechts vorne im Rathaus-Gebäude ein Ticket für die Tour seiner Sprachwahl zu besorgen – unser Versuch scheiterte an einem Frühlings-Sonntagmorgen kläglich, noch eine zeitlich passende englisch- oder deutschsprachige Tour zu ergattern. Was für ein Andrang!]
Auch das Palais Royal ist unschwer übersehbar, wenn der Königspalast auch längst nicht so protzt wie der monströse Justizpalast, mit seiner mächtigen Kuppel in 104 Metern Höhe. Was jedoch wirklich unübersehbar von überall in der Stadt und doch so ganz anders verortet steht, da eben ein ganzes Eck vom Stadtzentrum entfernt, ist die Basilique Nationale du Sacré-Cœur auf dem Koekelberg. [Tipp: Mehr zum erwähnten Guide hier.]
(c) S. Sahmer: Kuppel der Basilique Nationale du Sacré-Cœur auf dem Koekelberg
(c) S. SahmerWie der Justizpalast hat auch dieser Sakralbau gigantische Ausmaße und wurde vom, bei den Belgiern eher ungeliebten, König Leopold II. in Auftrag gegeben (das ist der mit der Kolonie Kongo, ein unrühmliches Kapitel in der Geschichte Belgiens …). 1905 begonnen, wurde der Sakralbau jedoch erst knapp 65 Jahre später vollendet. Da ruhte besagter König schon ewig unter der Erde und hatten Finanzierungsprobleme sowie zwei Weltkriege die Planungen ordentlich durcheinander gewirbelt. Der ursprüngliche Entwurf wurde nach jahrelangem Baustopp schließlich verworfen und ein neuer Architekt gesucht. Der Flame Albert Van Huffel gewann die Ausschreibung und schuf sodann das weltweit größte Gebäude im Art-déco-Stil. Im Jahr 1970 war es dann soweit: Die bereits 1952 zur Basilica minor erhobene Kirche war endlich fertiggestellt.
Ihre Kuppel hat nun einen Durchmesser von 33 Metern, so dass die Basilika auf eine Gesamthöhe von 93 Metern kommt. Die fünf Euro "Fahrgeld" für den Panoramaaufzug dorthin lohnen, denn nur so gelangt man auf die in rund 53 Meter Höhe befindliche Aussichtsplattform, die einen grandiosen 360°-Ausblick auf ganz Brüssel eröffnet (selbst bei leichtem Dunst).
(c) S. Sahmer
(c) S. Sahmer
(c) S. Sahmer Von außen hat mich die Basilika mit ihrer Größe mächtig beeindruckt, vor allem, da wir ihr entgegengelaufen sind – sprich den ganzen Koekelberg zu Fuß hoch sind und dann durch den davor liegenden Parc Elisabeth. So kann man einige Art-déco-Elemente/-Linien des Baus gut erkennen.
Im Inneren schließe ich mich jedoch den Worten meines Dumont direkt-Reiseführers an, denn, Zitat: "…der riesige Raum [wirkt] kühl. Bündelpfeiler aus poliertem Stein, eine Vielzahl von Seitenkapellen und eine Galerie machen ihn trotz seiner Leere unübersichtlich." Unterschreibe ich voll und ganz. Vor allem aber den Nachsatz "Traumhaft ist der Blick von der Kuppel auf Brüssel".
(c) S. Sahmer; Blick vom MIM Richtung Rathaus und weiter zum KoekelbergZumal in Sachen Art déco/Art nouveau doch mehr geht. Viel mehr. Aber da war das ganze Kirchenbauprojekt eben schon längst aus dieser wunderbaren Kunst-Epoche gefallen – und das ausgerechnet in Brüssel!
Denn wie kaum eine zweite Stadt in Europa prägte der Jugendstil die belgische Hauptstadt (zugegeben, dem Jugendstil rühmen sich andere Städte mehr, darunter Budapest, Glasgow, Helsinki, Nancy, Paris, Prag, Riga und Wien, aber auch deutsche Orte wie vor allem Darmstadt mit der Mathildenhöhe). Florale Linien treffen hier allerorten auf fließende Formen, Schnörkel auf Gusseisen: Über 1.000 Wohnhäuser, Hotels, Kontore/Handelshäuser und mehr entstanden in der Hochphase zwischen 1893 bis 1910 – allen voran die Bauten Victor Hortas und namhafter Kollegen wie Paul Cauchie oder Paul Saintenoy.