Einem geschenkten Maul schaut man nichts in Maul, heißt es. Und so halte ich es auch bei Büchern,die ich mir nicht gezielt gewünscht oder selbst gekauft habe, aber als Geschenk den Weg auf meinen irgendwie nie versiegenden Lesestapel finden. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Im Zweifelsfall kann ich es immer noch "nur" querlesen und das Buch dann am nächsten Bücherstand "spenden" – dort wird es dann schon (s)einen Leser finden, der er sich bewusst aussucht. Oft vorgekommen ist das bislang aber noch nicht.
So hatte ich ehrlich gesagt keine allzu großen Erwartungen an ein Buch aus dem Hause Tredition, denn dort gibt’s kein Verlagsprogramm im engeren Sinne, sondern den ganz großen Bauchladen: Jeder der will, kann hier zum Buchautor werden. Was immer man publizieren möchte, hier hat man die Chance, denn die Hürde Lektor muss hier nicht genommen werden.
Das "Warum" findet sich in der Selbstdarstellung: "Das moderne Verlagskonzept von tredition verbindet die Freiheiten des Self-Publishings mit aktiver Vermarktung sowie Service- und Produktqualität eines Verlages." Und weiter: "Durch state-of-the-art-Technologien wie das Veröffentlichungstool ‚publish-Books‘ bietet tredition Autoren die beste, schnellste und fairste Veröffentlichungsmöglichkeit." Man rühmt sich auch der Veröffentlichungsmöglichkeiten als Paperback, Hardcover und e-Book. Und ja, in der Tat, wenn man um einen dortigen Titel weiß und ihn googelt, so verweist die Ergebnisliste sogleich auf alle einschlägigen großen (Versand-)Buchhändlern. Geliefert wird ein Book-on-Demand, sprich gedruckt wird erst bei Bestelleingang.
Kurzum, ich zuckte also ein bisschen, als ich genau solch ein Buch geschenkt bekam. Das nennt man wohl klassisches Vorurteil, schließlich haben einige inzwischen etablierte Autoren als Self-Publisher angefangen, um sich auszuprobieren und ihr Publikum zu finden. Die Lese-Erwartung war – trotzdem, Asche auf mein Haupt – damit ehrlich gesagt nicht besonders hoch, trotz des verheißungsvollen Titels. Umso überraschter war ich, wie mich "Einmal um die ganze … (halbe) Welt" (Tredition, Paperback, 12,99 Euro) dann schnell durch seine authentisch-persönliche Art durchaus kurzweilig unterhielt mit einer Mischung aus persönlichem Reisebericht, angelesenem und/oder vor Ort gelerntem Destinationswissen, das teils über 08/15-Kenntnisse hinaus ging und so echten Mehrwert bedeutet, sowie diverser Gedankengänge über Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein, das Leben im Allgemeinen und über selbstgemachte Lebenserfahrungen im Besonderen.
Ich bin gerne mit Marianne Theil um die halbe Welt gereist, bevor sie genau am anderen Ende der Welt – in Neuseeland – von der Corona-Pandemie ausgebremst wurde, weswegen aus der geplanten einjährigen Auszeit und Weltreise eben am Ende nur eine halbe wurde. Daher der Titel. Habe mit ihr zuvor Station in den Emiraten gemacht, in Indien, Thailand und Kambodscha, in Malaysia, auf Bali und in Australien. Habe mit ihr gelernt was Loslassen heißt und Einlassen. Wie man trotz mangelnder Englischkenntnisse weit(er) kommt, sich nicht von frechen Taxifahrern entmutigen lassen sollte, das Erdbeben-Erlebnisse anscheinend relativ sind oder das ewige Barfußlaufen in Tempeln auch nach zig solcher Besuche gewöhnungsbedürftig bleibt und hygienisch fraglich, man aber in Nachtzügen diesbezüglich wiederum angenehm überrascht werden kann. Dass unterwegs nicht nur die Sonne scheint – und man Fehlbuchungen als solche hinnehmen und am besten baldmöglichst die Flucht, sprich Weiterreise zu schöneren Plätzen antreten sollte. Kurzum, dass auch Reisende ihre Höhen und Tiefen erleben. Und man sich selbst immer im Gepäck dabei hat, egal wie weit man reist.
Zwar hätte dem Manuskript hier und da ein richtiges Lektorat ebenso gut getan wie ein ordentliches Korrektur lesen des Drucklayouts; aber für ein Herzensprojekt, was diese Reise um die am Ende leider nur halbe Welt nachlesbar war und ist, sind das gelungene 180+ Seiten Lesestoff, um ein, zwei , drei nasskalte Winter- und Pandemietage mit Tagträumen von vielfach traumhaften, zudem oftmals sonnig-warmen Reisezielen zu füllen (ein, zwei, drei "Traumziele" von mir waren auch dabei). Und, das sollte nicht vergessen werden: Der herzlich-ehrliche Reisebericht zeigt, dass auch frau ganz gut alleine unterwegs sein kann, was auch die eingestreuten Bilder veranschaulichen. Wer also jemanden kennt, der bislang nur "pauschal" unterwegs war und sich das nicht traut – hier gibt’s ehrliche Antworten auf die Frage, ob das geht. Es geht. Genauso wie Self-Publishing. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Der Selbsttest zeigt wieder einmal: Wer unbekannten Autoren keine Chance gibt, hat womöglich unterhaltsame (wahlweise lehrreiche, sachkundige, spannende ...) Lesestunden verpasst. Denn dafür muss es längst nicht immer der angesagte Bestseller sein und auch kein zukünftiger Nobelpreisträger für Literatur.