Das Nordseebad Dangast ist das südlichste Nordseebad und quasi Binnenland. Denn die einstige Künstlerkolonie liegt am Südufer des Jadebusens. Dort trafen sich unter anderem Vertreter der Künstlergruppe Die Brücke, an den Maler Franz Radziwill erinnert sein kleines Haus mit Atelier. Hier weht sozusagen ein Hauch Worpswede zwischen Deich und Watt, dem man vor allem auf dem „Dangaster Kunstpfad“ nachspüren kann. Die Genannten blieben aber nicht die letzten Künstler, die hier Inspiration suchten und kunstvolle Spuren hinterließen: Auch Freilichtkunst gilt es zu entdecken, wenn man durch den Ort streift. Und noch immer kommt Neues hinzu.
Künstlerische Vergangenheit
Als Entdeckungspfad im öffentlichen Raum können die über 20 Schautafeln des „Dangaster Kunstpfads“ jederzeit und kostenfrei besichtigt werden. Man findet sie etwa am Strand, Hafen oder alten Kurhaus. Immer zeigen sie Standorte und/oder Perspektiven, die einst kunstvoll festgehalten wurden – und werfen so den Blick zurück in die künstlerische Vergangenheit des kleinen Badeortes, der bis heute eine beliebte Sommerfrische ist. Die beiden großen Campingplätze und die vielen Pensionen, Ferienwohnungen und -häuser zeugen davon.
Reproduktionen, Kurzbiographien und Zeittafeln nehmen den Betrachter dabei an die Hand und mit auf kunstvolle Zeitreise. Karl Schmidt-Rottluff und Max Pechstein etwa weilten in den Jahren zwischen 1907 und 1912 in Dangast – und schufen hier und in der Umgebung bedeutende Werke des Expressionismus. Otto Müller und Emma Ritter waren ebenfalls da, der schon erwähnte Franz Radziwill sowieso. Ihnen und weiteren Künstlern und ihren Gemälden begegnet man, wenn man sich auf den Kunstpfad einlässt.
Kreative Gegenwart
Der ist inzwischen aber auch um echte Kunst angewachsen, nicht nur, weil der Badeort eine Station des „Skulpturenpfads rund um den Jadebusen“ (auch: „Skulpturenpfad am Deich“) ist. Denn mehr oder weniger parallel zum „Dangaster Kunstpfad“ entstand ergänzend Freilichtkunst, mal phantasievoll, mal landschaftsbezogen. Egal wie man durch Dangast streift, man begegnet auch ihr gratis und jederzeit.
Ende der 1970er-Jahre entdeckte zum Beispiel der Bildhauer und documenta-Teilnehmer Anatol Herzfeld, bürgerlich Karl-Heinz Herzfeld, Dangast für sich. Eigentlich tätig auf der Erftinsel Hombroich (heute Museum Insel Hombroich), verwirklichte er auch am Jadebusen einiges: Seine Statue „Jade“, die im Aufmacherbild zu sehen ist, trotzt auch heute noch im Watt vor dem Dangaster Kurhausstrand den Gezeiten (oder den Wattwurfattacken ausgelassener Kinder) – und steht unweit des vielfotografierten Kaiserstuhls des Beuys-Schüler Butjatha. Der entstand 1984 als „Thron für die guten Geister des Meeres“ und ist ein nicht nur bei Kindern beliebter Klettersitz. Das kunstvolle Trio an dieser Stelle perfekt macht der steinerne Phallus des Bildhauers Eckart Grenzer.
Dessen Skulptur Friesendom wiederum, am zentralen Parkplatz beim Quellbad platziert, erinnert dagegen seit 2005 an die Opfer vergangener Sturmfluten und ist zugleich Mahnmal für die ständige Bedrohung der Küste durch das Meer. 2024 erst wurden an zwei Stellen im Ort die 65 hölzernen Gedankenkugeln des Bildhauer Thorsten Schütt installiert. Als LandArt-Projekt der Dangaster Akademie (die mit dafür sorgt, dass der Badeort bis heute ein lebendiger Künstlerort ist und bleibt) sollen sie „eine künstlerische Verbindung schaffen zwischen besonders schützenswerten Landschaftsräumen und Orten“.
Allgegenwärtiger Franz Radziwill
Der schon genannte Maler Franz Radziwill lebte ab 1923 bis zu seinem Tod 1983 in Dangast. Sein Haus in der Sielstraße, gleich an der Ampel am Ortseingang links, ist heute sozusagen ein Gesamtkunstwerk. Es ist eines der wenigen Künstlerhäuser, das in Gänze bzw. im Originalzustand erhalten ist. Der gelernte Maurer hat es über die Jahre selbst in Etappen ausgebaut und so seine eigene Entwicklung begehbar gemacht. Im großen Atelier steht noch immer seine Staffelei, daneben hängt sein Kittel, liegen Palette und Pinsel. Als wäre er nur kurz mal aus dem Haus gegangen, um sich inspirieren zu lassen. Da, wo heute der „Dangaster Kunstpfad“ verläuft.
Wer will kann diesen übrigens auch bei einer Führung erleben. Habe ich persönlich noch nie ausprobiert. Ich fand es immer spannender, ihm individuell zu folgen und durch den Ort zu streifen. Und immer wieder alleine neues Kunstvolles zu entdecken.

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