Unweit von Wilhelmshavens Wahrzeichen, der Kaiser-Wilhelm-Brücke, liegt das 1998 eröffnete Deutsche Marinemuseum. Schon von Weitem laden die Museumsschiffe zur Besichtigung ein, allen voran der (wie der Aufmacher es schon andeutet) 2003 außer Dienst gestellte Lenkwaffenzerstörer "Mölders" mit seinen hochaufragenden Masten. Seit Sommer 2005 ist er "das" Museumshighlight.
Nun war die Entwicklung der deutschen Militärseefahrt seit 1848 für viele Jahre leider nicht von Friedensmissionen gekennzeichnet gewesen. Umso mehr fällt auf, dass im Marinemuseum ganze Familien und unterschiedlichste Generationen durch die zuletzt 2009/10 neu gestaltete Dauerausstellung "Menschen, Zeiten, Schiffe" schlendern, um dann vor allem das Freigelänge und dort die begehbaren Exponate zu kapern. Trotzdem: Ganz offensichtlich können vor allem die männlichen Besucher dem militärischen Thema im Allgemeinen sowie den Schauobjekten im Besonderen zumindest drinnen am meisten abgewinnen.
Ich für meinen Teil finde den Spagat gelungen, den die Dauerausstellung gerade durch die kritische Einordnung diverser Kapitel der Marinehistorie und -technik macht. Dabei spannt sich der geschichtliche Bogen von der Kaiserzeit über die beiden Weltkriege und spätere Parallelität zweier deutscher Marinen bis hin zur Gegenwart.
Roter Faden hier wie auf den Museumsschiffen draußen sind die vielen unterschiedlichen Protagonisten, die zu Wort kommen. Das sind längst nicht nur Admiräle und Kapitäne, im Gegenteil. Neben Hochdekorierten und Langgedienten kommen auch scheinbar "kleine Lichter" und Youngsters zu Wort – jede Persönlichkeit und Präsentation erlaubt so unglaublich vielfältige Einblicke in das Arbeiten und Leben an Bord von Marineschiffes damals wie heute. Sind es anfangs noch Tagebuchnotizen und Briefe, so geben am zeitlichen Ende (vor allem an Bord der "Mölders") gerade auch Videoinstallationen den ehemaligen Mannschaftmitgliedern eine Stimme.
Das soll übrigens auch so bleiben, wenn die Dauerausstellung nun ihre erste Neukonzeption seit 15 Jahren erfährt. Die Sonderausstellung "Aufgetaucht!" hatte noch bis Anfang Mai dieses Jahres erste Einblicke gegeben und dafür einige Sammlungsschätze aus dem Depot gehoben, die mir Lust machten auf ein Wiederkommen. Die Besonderheit der zukünftigen Schau wird im modularen Aufbau der Ausstellungsinhalte liegen, der die bisherige chronologische Vermittlung dann hinter sechs Themengebieten zurückstellt. Man darf gespannt sein. Ich bin es.
Draußen sieht das Verhalten aller Museumsbesucher dann doch etwas anders aus; denn die gut durchdachten Rundgänge an, allen voran der mit gut 45 Minuten Dauer längste über die "Mölders" lockt Groß wie Klein, Männer und Frauen – abgesehen vom U-Boot U10, wo dann doch der eine oder andere am Einstieg umkehrt (auch ich, könnte an "Das Boot" liegen). Und an so mancher engen Treppenleiter an Bord gibt es anfangs kleine Staus, bis auch der/die Letzte verstanden hat, dass man runter besser rückwärtsgeht. Sonst bleiben blaue Flecken nicht aus, nicht nur an den Beinen.
Überhaupt: Am meisten sind alle erstaunt, dass es an Bord einfach unglaublich eng und beengt ist (in einem U-Boot eben noch mal mehr) – und Privatsphäre in den Mannschaftsunterkünften wie auch Sanitäranlagen ein Fremdwort ist. Die Gesprächsfetzen zeigen: Als kurzes museales Abenteuer kommen die meisten damit klar, aber so mancher wird weniger wortlaut und witzig, dafür stiller und respektvoller, je weiter es in die unteren Decks geht.
Respekt vor denen, die hier ihren Dienst versahen, ist wohl auch angesagt. Ich jedenfalls habe ihn. Nicht nur angesichts der Arbeitsplatzbedingungen. Vor allem auch gegenüber den Missionen, die die Marine gerade heute erfüllt. Seeschlachten, wie sie noch am Anfang der Dauerausstellung drinnen zu sehen sind, gehören glücklicherweise nicht mehr dazu – aber selbst die Friedensmissionen laufen eben doch nicht ganz friedlich ab. Die "Menschen, Zeiten, Schiffe" beeindrucken. Definitiv.
Die Kaiser-Wilhelm-Brücke übrigens auch. Im Volksmund KW-Brücke genannt, ist sie – wie eingangs erwähnt – "das" Wahrzeichen Wilhelmshavens, gebaut aus rund 800 Tonnen Stahl. Sie führt über den Großen Hafen und verbindet seit 1907 die Südstadt mit dem Südstrand sowie der heutigen "Maritimen Meile", zu der auch das Marinemuseum zählt. Ein Spaziergang über Europas größte Drehbrücke – sozusagen das "Blaue Wunder" der Hafenstadt – ermöglicht (nicht nur) einen grandiosen Panoramablick auf dessen Gelände und Museumsflotte.