Im Kannenbäckerland, hoch über dem Rhein und nur zehn Kilometer von Koblenz entfernt, schlägt das "Herz der Keramik", trifft Natur inspirierend auf irdenes Handwerk und filigrane Dekorkunst. Die Tonerde bestimmte hier in Deutschlands wohl berühmtester Keramik- und Tonregion, die sich von den Westerwälder Höhen bei Wirges bis runter ans Mittelrheintal bei Bendorf zieht, das Leben vieler. Und tut es bis heute.
Wenig verwunderlich, dass die "Töpfertradition Westerwälder Steinzeug in und um Höhr-Grenzhausen (Kannenbäckerland) sowie in Breitscheid“ seit 2016 Teil des "Bundesweiten Verzeichnisses Immaterielles Kulturerbe" ist. Die Deutsche UNESCO-Kommission sieht das Kannenbäckerland als eines der wichtigsten Keramikzentren Europas an. Zitat: "Der jährlich stattfindende Europäische Keramikmarkt und internationale Ausstellungen sowie Wettbewerbe im Keramikmuseum fördern einen internationalen Austausch. Das Töpferhandwerk wird so stets neu entdeckt und interpretiert."
Stimmt. Hautnah erleben kann man das dort aber auch jenseits des alljährlich im Juni stattfindenden Keramikmarktes. Und man muss auch nicht unbedingt zum Saisonauftakt im April beim Aktionstag "Höhr-Grenzhausen brennt Keramik" anreisen, um einen Blick in die Werkstätten werfen zu dürfen. Die sind längst regelrechte kleine Ateliers, zum Beispiel in der Brunnenstraße, wo der Kreativität freien Lauf gelassen wird – und aus Tonerde immer wieder Neues gemacht. Von Alltäglichem wie Becher, Tassen, Schüsseln, Krügen und anderem mehr bis hin zu Kunstvollem wie Vasen, Plastiken, Schmuck oder auch Kacheln.
Doch auch, wenn es daher oft bunt(er) zugeht, die klassische Variante aus grauem Steinzeug mit blauem Dekor, hoch gebrannt und mit rissfreier Salzglasur, ist noch immer "das" Wahrzeichen der Region. Wurde zu jeder Zeit nur dort genutzt und immer wieder neu interpretiert. Dachte ich. Bislang.
Bis ich auf einer spätsommerlichen Spritztour ins Nordelsass in Betschdorf ein grau-blaues Déjà-vu hatte (die letzten beiden Bilder hier). Die dortigen „Les Poteries“ sind ebenfalls berühmt für Töpferarbeiten aus blauem und grauem Steingut. Und von wem haben sie’s im 16. Jahrhundert gelernt? Von einem deutschen Töpfer aus dem Westerwald! Was ich da noch nicht wusste. Aber ständig vor Ort sagte, dass das alles hier mich total ans Kannenbäckerland erinnere. Bis hin zu den Ton(scherben)-Stilleben in und vor den Fenstern und Türen.