Wie entstand die deutsche Küste? Was haben Sturmfluten und Deicharbeiter, Piraten und Kaiser, Schiffe und Leuchttürme damit zu tun? Antworten gibt es im Küstenmuseum Wilhelmshaven, das Familienmuseum, Mitmachmuseum und Erlebnismuseum in einem ist. Und wo Anfassen und Ausprobieren vielfach ausdrücklich erlaubt ist.
Lebensraum Küste
In der ungewöhnlich aufgebauten Ausstellung, die die großen und kleinen Besucher immer weiter ins Gebäude reinzieht und doch immer wieder mit Schubladen und Schiebespielen, Aktiv- und Hörstationen spielerisch-lehrreich „aufhält“, nähern sich diese vom Wasser aus dem Thema Küste. Nichts war hier vor Tausenden, noch nicht einmal vor Hunderten von Jahren wie heute. Ohne Deiche waren Siedlungen einst schutzlos und versanken im Meer, ganze Küstenabschnitte wurden von Sturmfluten regelrecht weggerissen. Und doch finden sich in Sand und Schlick, unter Wasser wie Erde bis heute Spuren all jener, die es dennoch versuchten, das Leben am und mit dem Meer. Und ihm mit der Zeit die Stirn boten, Land (wieder) abtrotzten. Dank Deichen, Sielen und anderem mehr.
Aber man geht nicht nur auf Entdeckungstour über die Küste im Allgemeinen im Ausstellungsbereich Forschungslabor (archäologische Spurensuche von der Eiszeit bis heute inklusive), sondern erfährt auch mehr über die rund 150-jährige Geschichte der Marinestadt im Besonderen (weswegen ein ergänzender Besuch im nur ein paar Fußminuten entfernt liegenden Deutschen Marinemuseum empfehlenswert ist).
Spannende Stadtgeschichte
Und dann wird auch klar, woher die Stadt ihren Namen hat. Und nicht nur das: Auch, warum von einigen Jade-Dörfern nichts geblieben ist – außer einem Leuchtturm. Der Besucher erfährt, wie Wilhelmshaven am Reißbrett geplant und später gewachsen ist. Welche sozialen Konflikte es gab und wie die Werftarbeiter für sich kämpften. Oder was vom Kaiserreich am Ende blieb, koloniales Erbe inklusive. Wie der Nationalsozialismus in die Stadt kam und welche Spuren der Zweite Weltkrieg hinterließ. Oder warum neben Öl auch Erneuerbare Energien ein großes Thema sind. Und wie der Klimawandel das Leben an der Küste beeinflusst. Oder moderne Hafenkonzepte die Handelswege.
Familienorientierte Aufbereitung
Da ist viel dabei, wo man sich hineinvertiefen kann, manches ist eher für die Großen und ältere Kinder, vieles auch für die Kleinsten. Vor allem die regelrechte Spielecke über die „Piraten an der Jade“. Dort erfährt der Nachwuchs zum Beispiel, dass die eigentlich Clan-Häuptlinge waren und das Leben der Küstenbewohner auf dem Wasser wie an Land unsicher machten. Nette Extras wie eine Verkleidungsstation, ein Spielschiff zum Rumklettern oder auch die voll ausgestatteten mittelalterlichen Marktstände laden zum fantasie- wie lehrreichen Austoben ein.
Eine gute Gelegenheit für die Großen, sich im luftigen Obergeschoss in Ruhe die kleinen Sonderschauen anzusehen, die hier regelmäßig wechselnd stattfinden (und auch für Ortsfremde bei scheinbar sehr „stadtbezogenen“ Themen sehr spannend sein können, wie ich feststellen konnte).
Fazit? Selten so viel angefasst, angehört, angeschaut – und spielerisch gelernt. Das Küstenmuseum ist eine optimale Alternative nicht nur für Schlechtwettertage, da man sich hinterher so richtig darauf freut, den Deich oder Strand wieder „in echt“ statt museal zu erobern. Denn wer weiß, was man da entdecken kann!? Wo wo man doch nun weiß, was dort alles unter Sand und Schlick verborgen sein kann …
Schwimmender Außenposten
Warum das Aufmacherbild aber das historische Feuerschiff „Norderney I“ mit seinem neuen Stationsnamen Wilhelmshaven zeigt? Weil es frisch restauriert nicht nur wieder feuerrot-weiß erstrahlt, sondern auch schon von Weitem (etwa vom Südstrand kommend) den Weg auf der „Maritimen Meile“ zum Küstenmuseum weist. Also eigentlich ganz wie einst, als es noch als mobile Navigationshilfe vor der Küste eingesetzt war – um diese wie auch Schiffe zu schützen: Feuerschiffe wurden nämlich an strategisch wichtigen Positionen auf See verankert, wo der Bau eines Leuchtturms aufgrund von Wassertiefe oder Bodenbeschaffenheit nicht möglich war.
Wer gleich das preisgünstige Kombiticket ersteht, kann also aus dem Küstenmuseum herauskommend gleich in See stechen. Zumindest gefühlt, denn in echt liegt das Museumsschiff nun vertäut am Bontekai.

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