Angekommen sind sie dort zwar nie, aber dennoch weltberühmt geworden: "Die Bremer Stadtmusikanten", das einzige der Grimm'schen "Kinder und Hausmärchen", das einen – noch dazu realen – Ortsnamen im Titel trägt. Dies und mehr erfährt man bei einer Führung durch die Hansestadt Bremen, die natürlich auch zum UNESCO Welterbe Rathaus und Roland, ins bunte Schnoorviertel, an die Weserpromenade Schlachte und in die kunstvolle Böttcherstraße führt. Zwei kurzweilige Stunden, die übrigens rund ums Jahr angeboten werden.
Esel, Hund, Katze und Hahn – die letzten drei sind auch bekannt als Packan, Bartputzer und Rotkopf – gehören zu Bremen wie die Weser. Und sie begleiten den Bremen-Reisenden in der Altstadt buchstäblich auf Schritt und Tritt.
Zur knapp zwei Meter hohen Bronzestatue von Gerhard Marcks von 1953 wollen alle, ob geführt oder individuell. Wer sie nicht findet, der folgt einfach Gruppen oder – selbst beobachtet jenseits der Stadtführung – eifrig fotografierenden Asiaten, die die westliche Ecke am Bremer Rathaus ansteuern (hinten zur Liebfrauenkirche hin). Denn so groß und unübersehbar wie der Bremer Roland vor der Hauptfront des Rathauses ist sie nicht – aber genauso fotogen. Mindestens.
Doch mit einem Klick ist es für die meisten nicht getan. Da es Glück bringen soll, wenn man dem Esel an die Beine bzw. Hufe greift (ganz wichtig: mindestens zwei, bloß nicht nur eine!), glänzen diese auch entsprechend – ein spannender Gegensatz zur schönen Bronze-Patina der restlichen Skulptur. Mancher scheint da andere Informationen zu haben, denn auch das Maul des Esels glänzt "angegriffen".
Die vier ohne Touristen abzulichten, kann daher, zumindest dort, eine echte Herausforderung sein. Macht aber nichts, man begegnet den Vieren noch an vielerlei Orten in der Bremer Innenstadt. Mal klein, mal groß, hier kitschig, da kunstvoll, drinnen und draußen – und natürlich auch als Werbefiguren. Oder als feine Zeichnung im Fenster. Ich sag’s ja immer: Fenster haben was. Es lohnt sich, genauer hinzusehen.
Für das bunt zusammengewürfelte Märchen-Quartett ist Bremen das Ziel all ihrer Träume – das sie erreichen, wenn sie es auch nie dorthin, sprich in die Hansestadt, schafften. Denn ihre Botschaft zeigt bis heute: Man kann alles schaffen, wenn man nur zusammenhält.
Dabei ist die Tierfabel, die die Brüder Grimm erstmals 1819 in der 2. Auflage ihrer "Kinder- und Hausmärchen" an Stelle 27 aufführten, mehr als nur ein Märchen. Dahinter verbirgt sich eine ordentliche Portion Sozialkritik: Die vier tierischen Schicksalsgenossen stehen nämlich für im Dienst ihrer Herrschaft alt gewordene Mägde und Knechte. In den Augen ihrer Dienstherren können sie aber nicht mehr voll arbeiten und sind somit lästige Mäuler am Tisch, die nunmehr ungern durchgefüttert werden. Am liebsten möchte man sie fortjagen.
Indem diese jedoch ihrerseits der Vertreibung zuvorkommen und selbst mutig aufbrechen, um noch einmal Neues zu wagen, finden sie am Ende gemeinsam ihr Glück – dank einem ganz besonderen Auftritt als Stadtmusikanten. Wenn auch nicht im schönen Bremen. Das märchenhafte Nachtkonzert der Vier soll nämlich in der Nähe der Stadt Brakel stattgefunden haben. Aber das ist eine andere Geschichte …