Wenn es bis dato in Tübingen um Kunst ging, dann in der Kunsthalle Tübingen. Nun ist das Neue Kunstmuseum Tübingen (NKT) hinzugekommen. Zugegeben, der Name impliziert kein Privatmuseum: Doch der Kunstverlag Art 28 hat es im März eröffnet. Und viele kamen neugierig zur Eröffnungsschau „Panik in Tübingen“. Ich auch.
Das Neue Kunstmuseum Tübingen
Denn die Selbstdarstellung und Vorankündigungen nicht nur für das erste Ausstellungsjahr waren (und sind) ambitioniert, wie auf der Website bei „Über uns“ zur Eröffnung nachzulesen war: „Nach einer Bauzeit von 14 Monaten eröffnet das Neue Kunstmuseum in Tübingen (NKT) im März 2025. Ziel ist es, den Zugang zur Kunst zur revolutionieren, indem wir diese in die Lebenswelt der Künstler einbetten und zusätzlich vielfältige multimediale Angebote anbieten.“ Man verstehe sich „als Ort der Begegnung – als Plattform des Dialogs“.
In der Tat, der Andrang war groß, Begegnungen und Dialoge gab es viele – was angesichts der Künstlerauswahl auch nicht verwunderte: Udo Lindenberg hat eine große Fangemeinde quer durch alle Generationen. Das lockte ein entsprechend bunt gemischtes Publikum an, welches in der Schau den Musiker und Künstler suchte und fand. Es war eine spannende Begegnung mit dem Rockmusiker, der längst auch als Schriftsteller und seit den 1990er-Jahren gerade auch als Maler was zu sagen hat. So war er etwa 2005 mit der Schau „Keine Panik. Udo Lindenbergs bunte Republik“ im Haus der Geschichte in Bonn. 2010 gab das Bundesministerium der Finanzen sogar zwei von ihm gestaltete Sondermarken heraus.
Und nun also als Premierenkünstler eines Museums, das in gerade mal 14 Monaten Bauzeit hochgezogen wurde. Von der Art 28 GmbH & Co. KG, die seit 2005 als internationaler Kunstverlag, Galerie und Vertrieb in Tübingen tätig ist (und nicht nur echte Lindenbergs „vertreibt“). Was man Bau wie Schau im Frühjahr noch deutlich anmerkte, denn die Außenanlagen waren noch unbegrünt, der Parkplatz zwar als App-tauglich beworben, aber noch nicht final registriert.
Und auch drinnen war es jenseits von Udos bunten Bildern noch eher karg. In der Ausstellungshalle mit U-förmig umlaufender zweiter Ebene, wo man, untypisch für eine Museum, hochwertige, signierte Kunst“drucke“ kaufen konnte, ging es zwar bilderbunt, aber funktional und flexibel zu. Nicht zuletzt die Industriebauweise mit Stahlkonstruktion und Aluminium- und Glasfassaden sowie variablen Stellwänden und Traversen unterstreichen den „Industrial Style“ des NKT. Der wiederum passt zur Lage des Museums im Tübinger Industriegebiet.
Bauherr und Art-28-Geschäftsführer Bernhard Feil hat dort noch viel vor. Parallel zu Ausstellungen und Installationen sollen (und tun es bereits) in den Räumlichkeiten des Museums neben Talks noch Lesungen, Konzerte, Diskussionen und weitere Veranstaltungsformate stattfinden. Neben Werken etablierter Künstler aus der ständigen Sammlung von Art 28, ist geplant, „künftig auch Arbeiten nationaler und internationaler Persönlichkeiten“ zu zeigen. In diesem Herbst aber dreht sich in der vierten Schau des Eröffnungsjahres erst einmal alles um James Rizzi, dessen Nachlass und das Markenrecht an seinem Werk Art 28 verwaltet. Und wo neben der Sonderausstellung anlässlich des 75. Geburtstags des 2011 verstorbenen Pop-Art-Künstlers nun auch eine Dauerpräsentation eingerichtet wird, wozu insbesondere sein einstiges Atelier in New York nachgebaut wird – mit originalen Möbeln und Kunstwerken.
Die Kunsthalle Tübingen
Das klingt alles etwas kommerziell – und ist es auch. Womit sich das Neue Kunstmuseum Tübingen (NKT) deutlich von jener öffentlichen Einrichtung absetzt, die am entgegengesetzten Stadtrand schon einige Jahrzehnte der Kunst(vermittlung) frönt: In einem damaligen Neubauviertel am nördlichen Rand der Universitätsstadt öffnete 1971 die Kunsthalle Tübingen als scheinbar zweckmäßiges eingeschossiges Gebäude ihre Pforten. Sie punktet aber bis heute mit spannend versetzten Ebenen und Räumen sowie ausgezeichneten Lichtverhältnissen. Und das wohltuend ohne die im NKT allgegenwärtige Kommerzialisierung.
Es heißt, man habe seitens der Kunsthalle den Namen [des NKT] für „nicht richtig und irreführend“ gehalten. Aber im direkten Vergleich kann ich – um beim NKT-Premierenkünstler Lindenberg zu bleiben – sagen: Keine Panik in Tübingen!
NKT mag auf den ersten Blick suggerieren, dass es sich um ein öffentliches Projekt der Stadt handelt – doch spätestens wenn man an der Kasse steht und in die Ausstellung weitergeht, merkt man schnell, dass dem nicht so ist. Ganz im Gegensatz zur Kunsthalle. Zumal sich diese in über 50 Jahren einen internationalen Ruf (und ein Publikum) erarbeitet hat, der (bzw. das) die neue Konkurrenz nicht fürchten muss. Im Gegenteil.
Der Kontrast der Häuser hat was: Es gibt genug Kunst, die gezeigt werden sollte – und für jede Schau und jedes Haus ein Publikum. Auch in Tübingen. Und wen eine Ausstellung interessiert, der fährt auch neugierig hin. Hier- und womöglich auch dorthin. Ich ja auch.

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