Weil am Rhein mögen viele nur mit dem LKW-Stau vor dem Grenzübergang Basel verbinden. Ganz viele verbinden damit aber Design bzw. Architektur. Und fahren deshalb hier von der A5 ab. Man sollte es ihnen nachtun, denn das verspricht einen spannenden Stopp, der eher länger als kürzer dauern könnte. Sicher, man kann kurz mal im Vitra Haus Halt machen. Doch beim nächsten Mal sollte man mehr Zeit mitbringen, denn der Vitra Campus lädt ein, sich ausgiebiger die Füße zu vertreten.
Denn der ist ein grandioses Architektur-Ensemble auf dem weitläufigen Firmenareal des Schweizer Möbelherstellers Vitra – und weit mehr als das kostenfreie Vitra Haus, das ein überdimensionaler Showroom ist, "gläsernes" Lounge Chair Atelier inklusive.
Für den kurzen Design-Stopp dort sollte man schon mal mindestens eine Stunde einplanen. Besser mehr, denn man kann sich in den Design- und Wohnlandschaften verlieren, die einen streckenweise vergessen lassen, dass hier eigentlich "nur" gekonnt Möbel an den Mann oder die Frau gebracht werden. Oder um die Website zu zitieren: "Das einzigartige Ensemble zeitgenössischer Architektur auf dem Vitra Campus vereint Produktionsstätte, Museen, Architektur und Inspiration für Ihr Zuhause."
Dafür hat Vitra das Who‘s Who der zeitgenössischen Architektur-Szene gewinnen können: Den 2000 eröffneten Flagshipstore Vitra Haus mit seinen faszinierend verdreht-gestapelten Stockwerken hat das Gespann Herzog & de Meuron entworfen. Fast schon folgerichtig, dass es anderthalb Jahrzehnte später auch das (kostenpflichtige) Vitra Schaudepot am gegenüberliegenden Campus-Gelände konzipierte, wo nun ein zweiter Zugang zum Areal entstand. Man sollte sich übrigens von dessen fensterlosen Klinker-Fassade und dem schlichten Giebeldach nicht täuschen lassen, denn darin stapelt sich förmlich, aber höchst anschaulich Design-Geschichte! Laut Vitra finden sich dort die "weltweit größten Dauerausstellungen und Forschungsstätten zum modernen Möbeldesign".
Und das sind nicht die einzigen bekannten Namen, den hier gaben sich viele Pritzker-Preisträger (der sogenannte Oscar der Architektur-Szene) die Klinke in die Hand: Zaha Hadid etwa entwarf das Feuerwehrhaus (1993), Álvaro Siza eine der Fabrikhallen (1994) oder das japanischen Architekturbüro SANAA die gewaltige runde Produktionshalle mit ihrer auffallenden Fassade (2010/2012), wo sogar LKW durchfahren.
Und Frank O. Gehry zeichnete für das Vitra Design Museum (1989) verantwortlich mit den für ihn so typischen expressiven Formen, die hier Türme, Rampen und Kuben sind. Übrigens erstaunlich überschaubar, was die Gebäudemaße betrifft, zumindest im Vergleich zu vielen anderen seiner Bauten (etwa das MoPOP in Seattle oder das Marta in Herford). Dort locken jährlich zwei Wechselausstellungen, die auf immer wieder neue Weise den Bogen spannen zwischen Geschichte und Gegenwart des Designs.
Einen Besuch dort kann ich ebenso empfehlen wie die beeindruckende Architekturführung über den Vitra Campus – denn es ist einfach noch mal etwas anderes, wenn man vor, in oder auf dem einen oder anderen Objekt bzw. Gebäude steht (Ticket erforderlich).
Tipp: Vom Vitra Campus auf der deutschen Grenzseite ist es nur noch ein Katzensprung zur sehenswerten Fondation Beyeler im schweizerischen Riehen. Mit dem Auto ist man in wenigen Minuten drüben. Dank dem kleinen Grenzübergang im Ort zudem ganz ohne den LKW-Stau auf der A5.